Von Tiefenau nach Spansberg

Mit dem Zug R 50 fahren wir bis Riesa und steigen dann in die Mitteldeutsche Bahn nach Elsterwerda um. Der Bahnhof ist so klein, er hat nicht einmal einen Bahnsteig; frisches Gras benetzt die Schuhe mit Morgentau. Wir überqueren die Gleise, gehen weiter bis zur Hauptstraße, biegen nach links ab. Langweilige Siedlungshäuser, dann eine Brücke über die Kleine Röder. Auf der Wiese zanken sich zwei Rehe mit einem Raubvogel. Hinter der Brücke beginnen die interessanten Gehöfte, hübsch saniert, Fotomotive. An der Fischergasse werden tatsächlich noch Fische verkauft!

Tiefenau, Schlosskirche
Tiefenau, Schlosskirche

Dann die Schlosskirche, der Parkplatz davor mit Rosen bepflanzt. Das Schloss selbst wurde abgerissen, die Besitzer, aus dem alten böhmischen Adelsgeschlecht der Pflugk (sie sollen von der Urmutter Libusa abstammen, die ja einen Pflüger heiratete) – gingen in den Westen.
Die ersten Vertreter dieser Familie im Umfeld des Schradenwaldes schrieben sich „Pflug“ – ohne „von“ – damals nannten sich nur Adlige, die den Namen von ihrem Herrschaftssitz ableiteten, „von“. Otto Pflug saß in Strehla, seine Söhne Otto II., Hofmarschall Friedrichs des Streitbaren, und Nicol, geheimer Rat desselben Fürsten, erwarben u.a. Frauenhain. Später gelangte auch Tiefenau in ihren Besitz.

Tiefenau, Grabstätten der Familie Pflugk
Tiefenau, Grabstätten der Familie Pflugk

Nahe der Kirche liegen die Grabstätten der einstigen Besitzer, von „ernstem Moos“ bedeckt. Anwohner kommen mit dem Fahrrad, gießen und harken, dann sind sie wieder fort. Ein lebendiger Friedhof, wo auch der Fischzuchtmeister Fritz Gärtner, gestorben 1998, begraben liegt, dem sicherlich die Verkaufsstelle in der Fischergasse gehörte. Wie das alles ineinandergreift, Straßen, Gräber und Geschäfte. Auf kleinem Raum kann man Zusammenhänge überblicken, die in der Stadt meist unsichtbar bleiben.
Die Kirche selbst ist abgeschlossen, keiner der Gießenden und Harkenden hat den Schlüssel. So betrachte ich das Innere auf einer Schautafel des Thetris-Projektes. Hier erfahre ich, dass die Kirche Teil einer 60 Kirchen umfassenden internationalen Kirchenroute ist. 1718 wurde sie als Schlosskapelle eingeweiht.
Ein geheimnisvolles Pförtchen führt in den Rosengarten, wo ich den freundlichen älteren Herrn treffe, der sowohl den Fischzuchtmeister als auch die gesamte Geschichte des Schlosses kennt. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich für seinen Beitrag im Film bedanken!
Leider habe ich das große Fest zum Kirchenjubiläum ganz knapp verpasst.

Tiefenauer Teiche, Pflanze
Tiefenauer Teiche, Pflanze

Nach dem Abschied vom Ortskundigen mache ich mich auf den Weg zu den Teichen, wo der selige Fischzuchtmeister seine Ernte einbrachte. Den Teufelsgraben, Verteidigungsanlage aus dem Mittelalter, habe ich nicht gefunden, dafür den Viehwinkel- und den Stachelhorstteich mit ihren zahlreichen Wasservögeln, Heimat des gekörnten Nesselrüsslers. Die Fische sprangen aus dem Wasser und schnappten alle Mücken weg. Plopp!

Spansberg, Kirche
Spansberg, Kirche

Der Gasthof zum Wilden Bären in Spangenberg lockte mit zahlreichen Tafeln, doch eine geschlossene Gesellschaft verhinderte die Einkehr. Es gibt aber am Dorfausgang einen schönen Spiel- und Rastplatz, wo man seine vorsorglich eingepackten Schnitten essen kann. Gern hätte ich auch noch das von Herrn O.E Schmidt erwähnte Kosilenzien besucht, wo die Fischersleute an der Elbe besonders gern ihre Bräute suchten, aber dann ging es doch zurück nach Tiefenau und zum Bahnhof.

Nachtrag: Eine ganz andere Geschichte aus Kosilenzien findet man im Buch „Die Entwicklung der SED-Diktatur auf dem Lande“ von Sebastian Rick, in dem eine ehemalige Rotkreuzschwester von einer polnischen Zwangsarbeiterin berichtet, die bei ihr und dem Vater des Kindes Zuflucht suchte, weil die Bäuerin in Großkmehlen sie aus dem Haus gewiesen hatte, als ihre Wehen einsetzten. Die Bäuerin wurde nach der Klage der jungen Mutter von den Russen erschossen („und es saß im Stuhl des Richters der Azdak“)… Ob das Kind überlebt hat, erfährt man nicht. Es ist ein langer, langer Weg von Großkmehlen nach Kosilenzien.

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2 Antworten auf „Von Tiefenau nach Spansberg“

  1. man könnte glauben diese person war nie in Tiefenau oder er leidet unter geschmacksverirrung oder sehschwäche.Wir sind froh einen ökologischen haltepunkt zu haben mit behindertengerechten ausstiegsmöglichkeiten und das dorfbild bestimmen überwiegend neuerrichtete oder sanierte häuser mit ordentlich gehaltenen grundstücken,bis auf eine ausnahme.Obwohl der ort an der vielbefahrenen B169 liegt,bietet er ein schönen anblick durch die lage im flächennaturschutzgebiet und lädt ein zum wandern und radfahren.

  2. Hallo Herr Erwin, der Herr auf dem Bild/Video findet Tiefenau ganz wunderbar! Er hat aber nicht den Artikel geschrieben, sondern ich. Und ich finde Tiefenau auch wunderbar, war schon zweimal da. Der Bahnsteig gefiel mir so gut, gerade weil er nicht zubetoniert war. Es tut mir leid, wenn ich mich missverständlich ausgedrückt habe.

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